Eine Brücke: Aus dem Wald in die Natur

Ingenieurskunst verbindet Architektur und konstruktiven Holzbau

Zwischen den Ortschaften Flims und Laax im Kanton Graubünden zieht eine Holzbrücke alle Blicke auf sich und bietet dabei Sicherheit für den Langsamverkehr. Das Holz dazu stammt aus dem Gemeindewald – Material und Dienstleistungen vor Ort zu beziehen war den Machern wichtig.

Die Region Flims Laax Falera wird im Sommer wie Winter von vielen Erholungssuchenden heimgesucht. Vor dem Bau der Brücke mussten diese vom Parkplatz Staderas eine viel befahrene Kantonsstraße überqueren. Mit der Errichtung der Brücke wurde somit ein sicherer Überweg für Fußgänger und Radfahrer geschaffen. Gleichzeitig führt ein neues architektonisches Wahrzeichen aus dem dichten Flimserwald mit seiner bis zu 400 Meter tiefen Rheinschlucht hinein in die Bündner Bergwelt welche sich auf der anderen Seite der Straße auftut. 

Das Ingenieurbüro Walter Bieler AG hat es sich zur Aufgabe gemacht nicht nur einen Übergang von A nach B zu schaffen, sondern eine Brücke mit architektonischem Anspruch, konstruktivem Können und regionaler Nachhaltigkeit zu kreieren. Dieser Spagat ist wunderbar gelungen: Die hölzerne Überführung schlängelt sich formschön aus dem Wald heraus und überspannt viaduktartig die Straße. Die Brücke hat eine Gesamtlänge von 126 Meter, besteht aus neun verschieden langen Feldern und ragt an der höchsten Stelle fünf Meter empor. Mit einer Neigung von gerade mal 6 % ist sie zudem behindertengerecht. Das Tragwerk liegt auf V-förmigen Stützen – diese sind als Sprengwerk konstruiert, wodurch die Spannweiten zwischen den Stützen reduziert und somit Material und Kosten eingespart werden konnten. Um das Tragwerk vor Nässe zu schützen, wurde die 2,5 Meter breite Fahrbahn mit Gussasphalt versehen und dient somit als Wetterschutz.

Um dem Anspruch der Nachhaltigkeit von Ingenieur Walter Bieler gerecht zu werden, begleitete er den Förster durch den Laaxer Wald und wählte geeignete Bäume für das Baumaterial aus. Am liebsten hätte er nur Lärche verbaut, doch dies ist in der Gemeinde rar; somit wählte Bieler für witterungsgeschützte Stellen Fichte. 

Dienstleistungen sollten regional vergeben werden – mit der ortsansässigen Zimmerei Camathias wurde der perfekte Partner für die Umsetzung gefunden. Camathias konnte für die Maschinendaten zur Fertigung der Holzteile die CAD-Zeichnungen des Ingenieurbüros als Basis nutzen und in das SEMA Programm einlesen. Mit der Masse an Holzteilen und der Größe der Brückenelemente mussten die Zimmerer gewisse Herausforderungen meistern: Der Platz in der Produktionshalle zum Abbinden und Zusammensetzen der Brückenteile in der eigenen Werkhalle wurde knapp und so musste das längste Brückenelement auswärts zusammengebaut werden. Der Straßenradius um die eigene Werkhalle wäre zu eng gewesen für den Abtransport. Zwei Monate arbeiteten die Holzbauer nur an diesem Projekt. Dass beim Geländer aufgrund der gekrümmten Konstruktion kein Pfosten dem anderen gleicht machte die Sache nicht einfacher – und dennoch waren alle Mitarbeiter mit Herzblut dabei. Das auffällige Bauwerk sollte schließlich vor der eigenen Haustüre errichtet werden, da wollte jeder mit Hand anlegen. 

Final haben sechs Zimmermänner die Elemente vor Ort in Staderas aufgerichtet und die fertigen Brückenelemente auf dem Ständerwerk verbunden. Mit etwa 2000 Schrauben von 80 Zentimetern Länge verschraubten sie die Holzelemente miteinander. Die genaue Entfernung zwischen den Stützen hatten sie mit einem Laser gemessen um auch die Fundamente exakt zu treffen. Nach 114 Meter Baulänge weichte das letzte zu errichtende Element weniger als zwei Zentimeter ab. «Wir waren selber überrascht, wie präzise uns der Bau gelungen ist», erinnert sich Martin Camathias, Geschäftsführer der Zimmerei.

Von Beginn der Betonarbeiten für die Stützenfundamente bis zur Einweihung der Brücke vergingen viereinhalb Monate Bauzeit. Der Holzverbrauch lag bei 82m³ Konstruktionsholz. Von der Bevölkerung sowie den zahlreichen Wanderern und Bikern wurde die Holzbrücke sehr gut aufgenommen und ist zwischenzeitlich zu einem Eingangstor dieser beliebten Region geworden.