Großprojekt aus Holz und Stahl in Skelettbauweise

In Berlin-Marzahn befindet sich der Bau eines mehrstöckigen Bürogebäudes aus Holz-Stahl-Skelettbauweise in den letzten Zügen – eines der Größten seiner Art in Deutschland.

Sind alle Arbeiten abgeschlossen, ist ein fünfstöckiger Bürocampus mit 10.000 qm Bürofläche für 24 Mieteinheiten entstanden. Das Gebäude mit dem H-förmigen Grundriss ist ca. 20 Meter hoch und misst über 60 Meter in der Länge.

Die HBH Holzbau Zimmerei aus Landau an der Isar tritt dabei als Generalunternehmer auf. Das Projekt wird als bisher größter Auftrag in die Firmengeschichte eingehen. In einem Interview haben wir Stephan Steiner - Projektleiter bei der HBH - gefragt, welche Herausforderungen bei diesem Mammutprojekt auf ihn und sein Team warteten.

Herr Steiner, es freut uns sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen uns heute Rede-und-Antwort stehen. Sie sind Technischer Leiter bei der HBH Holzbau in Landau. Mit Ihnen als Projektleiter möchten wir heute darüber sprechen was das Gebäude für Anforderungen erfüllen muss und welchen Herausforderungen Sie sich gestellt haben.

  

SEMA: Herr Steiner, das Gebäude wurde in Holz-Stahl-Skelettbauweise konstruiert.
Kam dieser Wunsch vom Bauträger, der DIBAG Industrie AG, oder ist die Idee im Hause HBH aufgrund bestimmter Anforderungen entstanden?
Steiner, HBH Holzbau:
Vom Auftraggeber, der DIBAG Industrie AG, hat die HBH einen Genehmigungsplan erhalten - dort war der Grundriss in H-Form bereits vorgegeben. Durch die gewünschte Geometrievorgabe vom Bauherrn, haben wir von der HBH die Holz-Skelettbaukonstruktion vorgeschlagen. Grund für diese Bauweise waren auch die vielen Fenster- und wenig Wandflächen. Zudem mussten wir auch die Statik in Griff bekommen, daher sind wir das Projekt in dieser Konstruktionsbauweise angegangen.

SEMA: Können Sie uns vom Projekt ein paar Besonderheiten verraten?
Steiner, HBH Holzbau:
Die Gebäuderiegel haben eine Länge von 62,5 Meter. Wir haben fünf Geschoße, woraus sich eine Objekthöhe von ca. 20m ergibt. Das Tragwerk besteht in den Außenwandebenen aus geschoßhohen Brettschichtholz-Stützen und -Durchlaufträgern. Die Brettschichtholz-Balken haben eine Schwelle und einen Sturz, vorauf dann die Lignatur-Decke* liegt. 

* Anm. d. Red. – Die Lignatur AG entwickelt und fertigt u.a. neuartige Systemlösungen mit hohem Schallschutz für Geschossdecken in Bürobauten.

SEMA: Was macht die Decke von Lignatur so interessant?
Steiner, HBH Holzbau:
Ein Hohlboden hat eigentlich immer das Problem mit Trittschallschutz, weil es eben ein starres Element ist. Da es einen solchen Doppelboden mit gutem Trittschallschutz bisher so noch nicht gab, haben wir von der HBH unsere Vorstellungen an die Lignatur herangetragen und zusammen hat man an einer Lösung gearbeitet. Sprich, für das Projekt in Berlin hat die Firma Lignatur den Bodenaufbau der Decke neu entwickelt. 
Durch verschiedene Varianten ist dann letztlich dieser neue Bodenaufbau entstanden. Und so hat man, auch aufgrund vom Brandschutz, einen schwimmenden Estrich mit einbezogen. Der ganze Bodenaufbau wurde von Lignatur dann schalltechnisch gemessen und bewertet. In diesem Zusammenhang hat man auch das IFT* in Rosenheim hinzugezogen. 

* Anm. d. Red. – Die Schwerpunkte des IFT (Institut für Fenstertechnik) liegt auf dem Prüfen von Fenstern und Fassaden wie beispielsweise Schallschutzprüfungen. Das Labor für Bauakustik führt zudem Messungen für Trittschall durch.

SEMA: Die HBH ist bei dem Projekt als Generalunternehmer tätig. Somit musste die gesamte Koordination aller am Bau beteiligten Gewerke Ihrerseits bewerkstelligt werden. Wie ist man beim Datenaustausch untereinander vorgegangen und welche Schnittstellen wurden genutzt?
Steiner, HBH Holzbau:
Wir haben das Gebäude mit SEMA geplant, sprich die gesamte Holzbaukonstruktion mit den Stahlträgern lagen von uns als DWG-Pläne vor. 
Der werkplanende Architekt, der das gesamte Gebäude gezeichnet und die Details geplant hat, hat auch die Visualisierung über seine Software dargestellt. Mit der Lignatur haben wir für den Deckenaufbau mit dem IFC-Modell gearbeitet. Auf Basis der IFC-Bauteile wurden von der Lignatur dann die Deckenpläne, also die Abbundpläne erstellt. Die Werkplanung von der Lignatur ging dann wieder als IFC-Daten an uns und an den Architekten zurück – so konnte dieser die Durchbrüche der Wände genau anpassen, dass alle Elemente in sich stimmig sind.

SEMA: Wie sind Sie mit den für Ihre Planung nötigen Daten anderer Gewerke umgegangen? Die Lüftungsanlage samt Wärmerückgewinnung musste bei Ihnen ja genauso beachtet werden wie Elektroinstallationen.
Steiner, HBH Holzbau:
Von den Firmen der Luft- und Wärmetechnik haben wir die Lüftungspläne in Form von DWG-Daten erhalten. Für uns waren dabei die Aussparungspläne wichtig, um die Durchbrüche genau anzupassen. Bei den Daten vom Elektriker war es ähnlich. 

SEMA: Die Skelettbauweise beinhaltet eine große Menge an Stahlelementen, die im SEMA Programm auch sehr detailliert konstruiert wurden. Wie hat die Fertigung der Stahlteile dann stattgefunden?
Steiner, HBH Holzbau:
Die Stahlträger haben wir zu großen Teilen bei uns im Werk selbst hergestellt. Generell wären wir bei der HBH auch in der Lage gewesen alle Stahlteile und Stahlträger selbst zu fertigen, allerdings sind wir aufgrund der schieren Materialmenge und der knappen Zeit an unsere Kapazitätsgrenzen gestoßen.

Deswegen haben wir eine Aufteilung gemacht und haben Stahlteile in Kooperation mit Firmen aus der Region fertigen lassen. Dazu haben wir die Daten per IFC weitergegeben – quasi als openBIM Austausch. 

Für die Fertigung der Stahlträger haben wir mit einer Firma aus Regensburg zusammengearbeitet die auch sehr leistungsstark ist. Dort wurde dann ein Teil der Stahlträger gefertigt und auch direkt auf die Baustelle nach Berlin transportiert. Das hat uns auch schon sehr geholfen, denn alleine die Stahlträger lagen pro Geschoß bei ca. 25 Tonnen, und da sind die Fachwerkträger noch nicht eingerechnet. 

SEMA: Wow, das ist eine Menge Material. Da kommen bei fünf Stockwerken einig LKW-Ladungen zusammen.
Sie haben es bereits angesprochen: Der Materialtransport für solch ein Projekt bringt sicher einige Herausforderungen mit sich. Dazu muss man bedenken, dass die HBH ihren Sitz im bayerischen Landau hat, also gute 600 Km von Berlin entfernt. Dazu kommen noch die Deckenelemente von der Firma Lignatur, welche in der Schweiz gefertigt wurden – von dort sind es ja weit über 800 Km bis zur Baustelle.

Beschreiben Sie doch bitte diese logistische Mammutaufgabe, wenn das passende Material zur richtigen Zeit auf einer so weit entfernten Baustelle parat stehen soll.
Steiner, HBH Holzbau:
Wir hatten ein relativ freies Baufeld in Marzahn, was uns gut in die Karten gespielt hat. Die Bodenplatte hat zwar eine gewisse Größe vorweggenommen, dennoch war drumherum genügend Platz vorhanden. 

Was den zeitlichen Faktor betrifft, haben wir uns gut durch Absprachen mit den anderen produzierenden Firmen eingefunden. 

Was die HBH betrifft, habe ich das Gebäude geplant und gezeichnet. Zusammen mit Herrn Kühbeck, unserem Fertigungsleiter, der auch den Abbund koordiniert hat, hat es intern sehr enge Abstimmungen gegeben. Wir haben einen Montageablauf so festgelegt, dass wir mit der Süd-Ostseite des Gebäudes begonnen haben und die Wände rundum bauten. 

Die Deckenelemente wurden dann Abschnittsweise von der Firma Lignatur geliefert. Das haben die auch klasse gemacht mit Paketierungslisten und Plänen. So war für uns ersichtlich welche Elemente sich auf welchem LKW befinden, das hat uns sehr geholfen. 

Zeitlich haben wir abgeschätzt wie lange wir für die Deckenverlegung pro Abschnitt benötigen. Mit etwas zeitlichem Spielraum, falls das Montageteam schneller war oder sich etwas verzögert, hat das ganz gut gepasst. Pro Etage haben wir etwa vier bis fünf Wochen benötigt bis sie fertig war.

Man muss dazu sagen, dass die HBH schon mehrere Projekte zusammen mit der Lignatur gemacht hat. Aufgrund von Erfahrungswerten beider Firmen konnten wir den zeitlichen Rahmen der Elementverlegung in etwa abschätzen und so die Materialanlieferung terminieren. 

SEMA: Hatten Sie noch weitere Herausforderungen in Bezug auf Platzbedarf und Transport? Sie haben ja nicht nur die Holzbauteile gefertigt, sondern auch einen großen Teil der Stahlträger, wie Sie sagten.
Steiner, HBH Holzbau:
Wir haben die Teile ja nicht komplett als Wand gebaut – es hat zwar schon eine gewisse Vorfertigung stattgefunden, sprich, bei den Stützen haben wir die ganzen Eisenteile bereits eingebaut. Vom Verladen her waren wir durch die einzelnen Bauteile recht flexibel. Was wir bei der Beladung jedoch beachten mussten, war oftmals das Gewicht der Zuladung pro LKW - das war ausschlaggebender als der Platz. Auch wenn ein LKW 30m lang, 2,5m breit und 4 Meter hoch ist, konnten wir das Volumen gar nicht ausnutzen, da wir vorher bereits an der Beladungsgrenze vom Gesamtgewicht angelangt waren.

SEMA: Das offene Foyer wird laut den Plänen eine wahre Augenweide. Dabei kommt der Eingangsbereich ohne jegliche Stützen aus – wie haben Sie die Lastabtragung hierfür gelöst?
Steiner, HBH Holzbau:
Das Foyer hat eine recht große Stützweite, was bei der Gebäudeplanung grundlegend berücksichtigt wurde. Von der Tragkonstruktion her wurde über das Foyer im 1. OG ein Fachwerkträger in das Tragsystem gespannt. Dort wurde dann in Form von zwei Zugstützen die Foyerdecke aufgehängt.

Dieser Träger verschwindet nach oben hin in einer Wand, welche ein Büro begrenzt. Und weil man zwischen diesen Stützen eine Türe geplant hat, ist dieses ganze Tragsystem so in den Grundriss integriert, dass man das gar nicht mehr wahrnimmt.

SEMA: Stichwort „Nachhaltiges Bauen“. Die DIBAG legt bei diesem Objekt großen Wert auf Nachhaltigkeit und auf ökologisches Bauen. Haben Sie uns ein paar Fakten dazu?
Steiner, HBH Holzbau:
In erster Linie haben wir eine verbaute Holzmenge von 2.000 m³, was in etwa 2.000 Tonnen Co2 bindet – und das für die nächsten Generationen.

Zudem wird die DGNB-Zertifizierung* in Gold angestrebt, was wir auch mit einem guten Punkte-Puffer erreichen werden. Generell wäre für dieses Projekt auch die Auszeichnung in Platin möglich gewesen, allerdings ist es bei dieser Auszeichnungsklassifizierung nötig, dass bereits während der Planungsphase die DGNB involviert sein muss. Dass eine Zertifizierung angestrebt wird, kam aber erst gegen Ende der Planungsphase auf.

*Anm. d. Red.: Ein DGNB-Zertifikat ist ein Nachweis der für mehr Nachhaltigkeit im Bauen steht.
Das Zertifizierungssystem der DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen - gilt weltweit als das fortschrittlichste und ist international anerkannt.

SEMA: Der Bürocampus in Berlin ist das bisher größte Projekt der Firmengeschichte bei der HBH. Welche Unterschiede gegenüber ihren sonstigen Projekten haben Sie besonders gefordert, oder gab es sogar Dinge die einfacher waren?
Steiner, HBH Holzbau:
Bei der HBH haben wir sonst viele Sanierungsaufträge in München. Das sind oftmals Stadtgebäude, unter anderem auch im Jugendstil, wo beispielsweise der Dachstuhl ausgetauscht wird, oder aber auch schlüsselfertig ausgebaut werden. Bei diesen Projekten haben wir es jedoch mehr mit Wohnbau zu tun.

Das Projekt in Berlin ist ein Gewerbebau, noch dazu als Skelettbau – und auch die Dimension ist eine ganz andere Größenordnung gegenüber unseren sonstigen Aufträgen. Bei dem Bürokomplex in Berlin sind ganz andere Parameter zugrunde gelegt. Flexibilität der Grundrisse einzelner Büros spielt z.B. eine große Rolle. Es ist gewünscht, dass man schnell und einfach auf die Bedürfnisse der Mieter reagieren kann. Dass Umbauten möglich sind oder neue Verlegung von Kabeln in den Hohlböden zum Beispiel. Bei einem Wohnbau hat man diese Anforderungen nicht – der gewünschte Grundriss ist dann gegeben und daran ändert sich auch nichts mehr. 

Bei dem Projekt in Berlin wiederum gibt es auch Dinge die einfacher waren. Durch den H-Grundriss und die nahezu gleichbleibenden Geschoße etwa. Bei der Planung war es beispielsweise möglich einen Knotenpunkt zu setzen und diesen hundertfach zu vervielfältigen, weil er gleichbleibt. Das hat man bei einer Wohnraumsanierung eben nicht – dort sind viele verschiedene Detailpunkte zu setzen. Aus planerischer Sicht war das für mich auch einer der Unterschiede.

SEMA: Das Projekt setzt mit seiner Bauweise auch ein Statement für zukunftsweisende Bau- und Städteplanung, was auch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist – nämlich Holz als Baustoff Nummer 1. Möchten Sie dazu abschließend noch etwas sagen?
Steiner, HBH Holzbau:
Generell muss man bedenken, dass das Projekt in Berlin andere gesetzliche Voraussetzungen mit sich bringt, als wir sie in Bayern vorfinden. Was dies betrifft gibt es in Bayern noch zu viele Vorschriften die uns diesbezüglich im Wege stehen. Bei diesem mehrstöckigen Projekt in Holz-Hybridbauweise haben wir jedoch bewiesen, dass es wunderbar funktioniert große Gebäude aus Holz zu bauen. Natürlich werden wir ohne Beton nicht auskommen, alleine schon, weil immer eine Bodenplatte oder ein Fundament benötigt wird. 

Trotzdem ist es doch so, dass das Gebäude eine gewisse Gebäudeklasse hat, es erfüllt den Brandschutz, es erfüllt die Statik, es erfüllt einfach alle baurechtlichen Anforderungen was das Gebäude haben muss. 

Was den Brandschutz betrifft muss ein Gebäude, welches F90 zertifiziert ist, eben 90 Minuten den Flammen standhalten. Deswegen müssen dahingehend noch einige Vorschriften im Bausektor angepasst werden, wenn wir von Klimaveränderung sprechen. Denn im Gesamtpaket Klima- und Umweltschutz spielt Holz als nachwachsender und Kohlenstoffdioxid bindender Rohstoff eine große Rolle. Wenn man ressourcenschonender baut, hat man auch gleichzeitig was für‘s Klima getan. 

» Denn was den Umweltgedanken betrifft, ist Holz ganz klar
   die Nummer 1, das ist nicht von der Hand zu weisen. «

 

Drum freut es mich, dass dieses Projekt in verschiedenen Publikationen einen solch tollen Anklang findet und über so ein richtungsweisendes Projekt vielfach berichtet wird. Dann lesen und sehen das viele Leute und dann findet hoffentlich auch bald ein generelles Umdenken statt, denn wir müssen mehr mit Holz bauen. Nicht nur bei Ein- oder Zweifamilienhäusern auf dem Land, auch Gebäude in der Stadt mit 30 Wohneinheiten oder eben auch bei Industriebauten muss Holz mehr zum Einsatz kommen. Das würde ich mir persönlich wünschen. Denn Bauen mit Holz ist eine tolle Sache.

SEMA: Das lassen wir gerne so als Schlusswort stehen.
Herr Steiner, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihren Beitrag zu diesem Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute und hoffen auch in Zukunft noch viele solcher Projekte von Ihnen und der HBH sehen zu dürfen.