Historisches Fachwerk in neuem Gewand

Wiederaufbau eines 350 Jahre alten Arbeiterhauses: Im hessischen Rod an der Weil wurde mit viel Herzblut ein historisches Gebäude entkernt, abgebaut und nach altem Vorbild neu erstellt. Für das Obergeschoss des Neubaus bekamen restaurierte Eichebalken ein zweites Leben und wurden als Sichtfachwerk wiederverwendet. Das Dachgeschoß samt Dachstuhl wurde von der Firma Holzbau Reuter in Holzrahmenbauweise errichtet und dient nun im ausgebauten Zustand als Wohnraum.

Der kleine Ort im Hochtaunuskreis wurde schon zu Zeiten der Kelten besiedelt und hat eine lange Vorgeschichte. Bereits im 14. Jahrhundert entwickelte sich an der Burg Neuweilnau eine Handwerksindustrie, dessen Schmiede im Arbeiterhaus beherbergt wurden.

Das heruntergekommene Haus stand in direkter Nachbarschaft von bereits aufwändig restaurierten historischen Gebäuden im "Schmiedhof". Um das schöne Fachwerkensemble zu erweitern, plante das Bauherren-Ehepaar Reimund und Katharina Moses auch noch das Arbeiterhaus zu restaurieren. Doch wie sooft kam es anders als gedacht. Dass sich unter dem maroden Putz ein Fachwerk befand, war den Bauherren bekannt und wollten dieses nach Möglichkeit auch erhalten. Nach dem Freilegen kam wie angenommen ein historisches hessisches Eichenfachwerk hervor - zwar nicht in bestem Zustand jedoch nutzbar. Als das Erdgeschoss vom Putz befreit war, stand jedoch fest, dass dieses Holz - ein Fichtenfachwerk - für eine Sanierung unbrauchbar war. Nachdem das Haus nicht dem Denkmalschutz unterlag, hatte man sich entschlossen nur das Fachwerk im Obergeschoss zu sanieren. Die ursprüngliche Bauweise jedoch wollte man beibehalten.

Für den Erhalt des Holzes konnte das Fachwerk nun vollständig entkernt werden. Vor dem Abbau wurden die Balken noch nummeriert und deren Position für eine spätere Anbauanleitung kartiert. Etwa 80 Prozent der bis zu 400 Jahre alten Eichenbalken konnten restauriert und somit wiederverwendet werden. Für diese Arbeiten konnte der Experte Uwe Vater von Hessenfachwerk gewonnen werden. Auch die zweiflügelige Haustüre sollte erhalten bleiben. Dieses Schmuckstück wurde durch den Schreinermeister Rafael Ramos aufbereitet um im Neubau wieder eingebaut zu werden.

Während die alten Holzteile in der Werkstatt von Uwe Vater händisch aufbereitet wurden, entstand bei Holzbau Reuter am PC der Ausbau des Dachgeschosses mit Holzbalkendecke, Dachstuhl und Gauben in moderner CAD Software. Kontrastreicher kann ein Wiederaufbau mehrerer Geschoße eines einzelnen Gebäudes kaum sein. Nach dem Errichten des neuen Zweifamilienhauses wurde das Krüppelwalmdach in ursprünglicher Bauweise mit Biberschwänzen gedeckt, First und Ortgänge sowie die Giebelseiten wurden mit Naturschiefer verkleidet.

Aus dem noch in 2016 baufälligen Arbeiterhaus aus dem 14. Jahrhundert wurde ein stattliches Wohnhaus mit Sichtfachwerk das sich seiner Umgebung in historischem Stil wunderbar einpasst. Entstanden sind zwei Wohnungen mit 70 m² im Erdgeschoss und 100 m² im OG samt Dachausbau. Die bezugsfertigen Wohneinheiten verfügen über einen zeitgemäßen Energiestandard. Die atmungsaktiven Lehmziegel, welche die Gefache verschließen tragen Ihren Beitrag dazu.

Dieses Projekt ist ein schönes Beispiel dafür, dass es sich durchaus lohnt alte Bauten weiter am Leben zu erhalten, oder wie in diesem Fall neues Leben zu geben. Noch bedeutender wird es, wenn eine historische Vergangenheit hinter einem Projekt steckt wie in diesem ursprünglichen Arbeiterhaus, wo einst die Schmiede der frühen Eisenindustrie untergebracht waren. Dass dem Fachwerk eine übergeordnete Aufmerksamkeit gewidmet wurde freut besonders. Dieses kommt innen wie außen sehr schön zur Geltung. Und auch all die kleineren Details wie die doppel-flügelige Haustüre oder die Inschrifttafel, welche in die Fassade eingebracht wurde, geben diesem neuen Gebäude einen altertümlichen und liebevollen Charakter. An vielen dieser "Kleinigkeiten" war Karl Otto Kilb, Chefhistoriker von Rod an der Weil, maßgeblich beteiligt. Neben beratender Hilfestellungen hat der Vater der Bauherrin unter anderem die Eisen mit denen die Schwellen verbunden werden geschmiedet. Dies wäre aus statischer Sicht nicht notwendig, da diese mit den Eckpfosten verzapft sind - doch die sogenannten "Angsteisen" fügen sich dem Gesamtobjekt optisch sehr schön ein.

 

Fotos: Holzbau Reuter Gmbh, Waldems / Familie Moses, Weilrod
Grafiken: SEMA GmbH, Wildpoldsried